Ausspannen können
„ Ich habe (dafür) keine Zeit! “
– Wer kennt den möglicherweise genervt vorgebrachten
Satz nicht? Der Hinweis ist ja nicht bloß eine
Tatsachen-Behauptung. Er ist auch eine
abwehrende Aussage: Was mein Gegenüber von mir erwartet
oder doch zumindest wünscht und möchte, das will oder kann ich nicht erfüllen.
Grundsätzlich bereitet der Hinweis kein Problem:
„ Wenn Du jetzt gerade keine Zeit
hast – dann komme ich eben später wieder. “
Schwieriger wird es, wenn das „Keine-Zeit-Haben“ zum
Standard wird: gehetzt, genervt, immer „unter Strom“ zu sein, raubt uns Kräfte,
die wir eigentlich brauchen.
„Ausspannen“ – der Begriff stammt aus Zeiten, als man
noch nicht mit dem Auto, sondern mit Pferdefuhrwerken unterwegs war. Die Pferde
wurden ausgespannt, mussten sich erholen. Und wir müssen das auch. Im
Unterschied zu den Zugpferden haben wir aber die Gabe, unser Handeln
reflektieren zu können und aus eigenem Willen zu verändern, zumindest in der
Freizeit und im Urlaub.
Dazu ein Blick in die gesammelten Erzählungen der
Chassidim:
Rabbi Schmelke pflegte, damit
sein Lernen nicht allzu lange Unterbrechung erleide, nicht anders als sitzend
zu schlafen, den Kopf auf dem Arm und zwischen den Fingern ein brennendes
Licht, das ihn wecken sollte, sobald die Flamme seine Hand berührte.
Als Rabbi Eli Melech ihn
besuchte, bereitete er ihm ein Ruhebett und bewog ihn mit viel Überredung, sich
für ein Weilchen darauf auszustrecken. Dann schloss und verhüllte er das
Fenster. Rabbi Schmelke erwachte erst wieder am hellen Morgen. Er merkte, wie
lange er geschlafen hatte, aber es reute ihn nicht, denn er empfand eine
unbekannte Klarheit. Er ging ins Bethaus und betete der Gemeinde vor, wie es
seine Gewohnheit war. Aber der Gemeinde schien es, als hätte sie ihn noch nie
gehört. Als er den Gesang vom Schilfmeer anstimmte, mussten sie den Saum ihrer
Kaftane raffen, dass sie die rechts und links bäumenden Wellen nicht netzten.
Später sagte Schmelke zu Eli Melech:
„Jetzt erst habe ich erfahren,
dass man Gott auch mit dem Schlafe dienen kann.“
Mit dieser kleinen Geschichte wünschen wir allen eine
entspannte und erholsame Sommerzeit – egal, ob Sie verreisen oder zu Hause
bleiben, ob Sie Urlaub haben oder noch darauf warten – und den Kindern und
Jugendlichen viel Spaß in den Ferien!
Das Redaktions-Team